Wenn es nur ein Ereignis gäbe, das beispielhaft für die Notwendigkeit zur Automatisierung in der Industrie steht, dann ist es das Corona-Virus. Roboterisierung, Industrie 4.0 oder die Smart Factory laufen bereits seit mehreren Jahren an. Doch keine dieser Entwicklungen zeigte Entscheidern die Bedeutung einer zuverlässigen und durchgängigen Produktion so stark auf wie dieses Virus, das seit Ende letzten Jahres die Welt außer Atem hält.
Wenn alles gut läuft, stellt dieser Umstand zumindest mittelfristig kein dramatisches Problem mehr für die Industrie dar. Aber die Anforderungen an Automatisierung und damit auch an die Bildverarbeitung steigen kontinuierlich. Einerseits sollen – auch ausgelöst durch das Corona-Virus – zunehmend mehr Fertigungsprozesse automatisiert ablaufen. Andererseits entwickelt sich die Automatisierung selbst weiter: Neue Algorithmen und Kategorien erlauben eine intelligentere Automation. Neben dem Umgang mit nicht sortenreinen Werkstücken kommen komplexe Oberflächen und Formen hinzu. Und auch umfangreichere oder schwierige Abläufe rücken nun auf die Agenda.
Wie wirken sich diese Entwicklungen auf die industrielle Bildverarbeitung aus? Denn es ist klar, dass sich daraus zusätzliche Herausforderungen ergeben. Wie geht die Branche also damit um?
Bereits in vollem Gange: Künstliche Intelligenz in der Bildverarbeitung
Seit einigen Jahren wird davon geredet, nun folgt die Tat: Künstliche Intelligenz und Deep Learning halten Einzug in die Machine Vision. Doch damit Roboter und Maschinen Werkstücke und Situationen zuverlässig erkennen, benötigt es große Mengen an Bildinformationen. Herkömmliche Algorithmen sind oft nicht in der Lage, diese sinnvoll zu erfassen und zu verarbeiten. Deep Learning hingegen kann durch seine grundlegend verschiedene Herangehensweise dennoch zu einem validen Ergebnis kommen.
So verbessern sich Qualitätsinspektion, Objekthandling und -positionierung. Die Erkennungsrate von Fehlproduktionen steigt im Vergleich zur menschlichen Sichtprüfung immens. Das eröffnet einen neuen Handlungsspielraum für die Automatisierung.
Die Connected Company als Vorstufe zur Smart Factory
Noch sind Cloud Anwendungen und die Einbindung in die Smart Factory in der Bildverarbeitung nicht möglich: Die Datenübertragung von umfangreichen Bildinformationen und ihrer Verarbeitung dauert aktuell für eine Inline-Automatisierung noch zu lange. Der erste Schritt dahin ist jedoch schon getan. Bereits jetzt gibt es Lösungen on the edge, bei denen alle relevanten Informationen in der benötigten Geschwindigkeit ausgetauscht werden. Das Gegenstück zu Sensor und Roboter ist dabei zumeist im Schaltschrank als Industrie-PC verbaut. Aufgrund der größeren Nähe werden die aufwendigen Berechnungen schneller durchgeführt – der gesamte Prozess erleidet dadurch keine Verzögerungen. Bis zur zentral gesteuerten Smart Factory dauert es wohl noch etwas. Die ersten Schritte dahin sind jedenfalls schon getan.
Predictive Maintenance wagt den Blick in die Zukunft
Mit Wahrsagerei hat das Konzept wahrlich wenig zu tun: Predictive Maintenance wird besser mit „vorausschauender Wartung“ übersetzt. Vision Systeme werden hier zukünftig eine zentrale Rolle spielen. Denn durch die steigende Qualität heutiger Sensoren sind diese in der Lage, bereits kleinste Veränderungen an Werkstücken und Oberflächen zu entdecken. Gemeinsam mit intelligenten Algorithmen wird es so möglich, diese Erkenntnisse zu rechtzeitigen Wartungshinweisen zu bündeln. Gerade für teure Investitionsgüter kann bildverarbeitende Predictive Maintenance hier einen wichtigen Beitrag zur Kosteneffizienz leisten.
Cobot Vision: Kollege Roboter lernt das Sehen
Ebenfalls ein zunehmender Trend in der industriellen Fertigung: Die Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) mittels Cobots. Wenn die Sicherheitsgitter zwischen Mensch und Maschine fallen, dürfen Menschen in keiner Sekunde von ihrem technologiegetriebenen Begleiter gefährdet werden. Neben umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen auf Programmierebene benötigt es dazu eine entsprechende Wahrnehmungsfähigkeit. Moderne 3D-Vision Sensoren helfen Cobots, diese Ansprüche zu erfüllen. Dabei müssen sie in der Lage sein, in Bruchteilen von Sekunden alle relevanten Informationen aufzunehmen und an die Verarbeitungszentrale zu senden. Nur so kann eine sichere MRK im Arbeitsalltag stattfinden.
Verschieben die Grenzen des Sichtbaren – neue Bildgebungsverfahren
Schließlich darf man nicht vergessen, dass sich auch der Bereich des Sichtbaren für Roboter und Maschinen kontinuierlich erweitert. Mit neuen Bildgebungsverfahren entstehen so innovative Möglichkeiten zusätzliche Informationen aus einer Bildaufnahme zu extrahieren. Die chemische Zusammensetzung einer Probe lässt sich etwa über hyperspektrale Bildverarbeitung aufnehmen. Polarisationsbilder helfen, Informationen über die Spannung eines Objekts und andere physikalische Daten zu sammeln. Weitere Details in bisherigen Aufnahmen ermöglicht wiederum das Computational Imaging durch die Kombination mehrerer Bilder zu einem.
Neue Verfahren und Herangehensweisen erweitern kontinuierlich die Leistungsfähigkeit der industriellen Bildverarbeitung. Sie liefern damit einen wichtigen Beitrag, um Produktionen weltweit zukünftig noch krisensicherer zu gestalten.