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Keine Bildverarbeitungslösung gleicht der anderen. Und das ist auch gut so – schließlich sind die Bedingungen keiner zwei Aufgaben identisch. Doch wie lässt sich dieser Umstand mit standardisierten Kameras und Systemen verbinden? Bei aufwendigen Automatisierungsaufgaben fällt dabei meist der Begriff Proof of Concept. Warum auch Sie für Ihre nächste Aufgabe einen PoC nutzen sollten und wie er in der Bildverarbeitung abläuft, zeigen wir Ihnen heute.

Proof of Concept – wieder ein neudeutscher Begriff? Wörtlich übersetzt, steht das für die Prüfung eines Konzepts. Und auf diese Weise darf ein PoC, so die gängige Abkürzung, auch verstanden werden: Ziel ist es, durch die Anfertigung einer Machbarkeitsstudie bzw. der Umsetzung eines ersten Abschnitts in einem Großprojekt einen präzisen Eindruck über das Vorhaben, den Aufwand und seine Realisierbarkeit zu erhalten. Erst mit diesen Ergebnissen wird das eigentliche Projekt umgesetzt, angepasst oder abgesagt.

Insofern steht der Proof of Concept für die Überprüfung der ursprünglichen Projektidee. Denn Fallstricke finden sich häufig nicht nur in der eigentlichen Projektplanung, sondern auch in der Zielsetzung, Definition oder den technischen und betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen. Ein PoC hilft, diese Probleme bereits frühzeitig zu erkennen, um durch ihre Vermeidung Zeit und Kosten zu sparen.

 

Nicht unüblich: PoC in der Bildverarbeitung

Eine Testreihe, um projektkritische Eigenschaften bereits vorab zu prüfen – das qualifiziert den PoC perfekt für die industrielle Bildverarbeitung. Denn Vision Systeme reagieren sehr anfällig auf vielfältige Einflüsse. Neben Umgebungslicht und anderen Lichteinflüssen sind auch Sensorik, Aufbau und Verarbeitung der eingehenden Daten potenziell störanfällige Faktoren. Bereits ihre Vielzahl macht deutlich; mit detaillierter Planung ist es nicht unbedingt getan. Handelt es sich um ein kritisches Großprojekt, gewinnt der Beweis der eigentlichen Machbarkeit zusätzliche Bedeutung.

Hinzu kommt: Häufig gibt es zwar ein bekanntes, funktionierendes Setup für eine Bildverarbeitungs- und Automatisierungsaufgabe. Doch diese kann aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht eingesetzt werden. Eine zu niedrige Deckenhöhe, Streulicht durch eine angrenzende Roboterzelle oder herausfordernde Umgebungsbedingungen in der Werkhalle können eine Umplanung erfordern. Ob die Aufnahmequalität nach grundsätzlichen Änderungen noch gegeben ist, kann selbst ein Experte nicht immer abschließend beurteilen. Der Proof of Concept hilft, diese Unsicherheiten auszuräumen.

Damit ist eine Machbarkeitsstudie ein effektives Werkzeug, um Investitionsrisiken zu begrenzen. Selten läuft ein PoC vollkommen ins Leere und kommt zu dem Schluss, dass ein Projekt schlichtweg unrealisierbar ist. In den meisten Fällen wird die Testphase Stolpersteine und Schwierigkeiten aufdecken. Diese können während des laufenden PoC erkannt und anschließend gebannt werden. Aufgrund seines geringen Umfangs sind die Kosten für eine solche Änderung im PoC keinesfalls vergleichbar mit denen eines bereits in Umsetzung befindlichen Großprojekts.

 

Proof of Concept Ablauf

Damit der Proof of Concept für eine Bildverarbeitungsaufgabe erfolgreich verläuft, gilt es einige Grundlagen zu beachten. Auf diese Weise finden Auftraggeber und -nehmer optimale Bedingungen, um gemeinsam ein erfolgreiches Bildverarbeitungsprojekt – etwa zur Qualitätsinspektion – abzuschließen.

Ein PoC gliedert sich in mindestens 4, meistens 5 Bausteine – wobei das Vor-Ort-Testing je nach Aufnahmesituation möglicherweise entfallen kann. In vielen Fällen ist es allerdings angebracht, auch die örtlichen Gegebenheiten miteinzubeziehen.

 

1.    Vorbereitung

Zu Beginn des PoC sollten alle Beteiligten zwingend die Ziele des Meilensteins festlegen. Das beinhaltet zusätzlich eine exakte Definition der gewünschten Lösung sowie ihre Funktionen und Nicht-Funktionen. Auch ein Zeitplan sollte sich anschließen.

In den meisten Fällen wird diese Vorbereitung direkt in einem Lastenheft festgehalten. Darauf sollten sich alle involvierten Personen verständigen. Das Lastenheft wird damit die verbindliche Grundlage für alle weiteren Tätigkeiten.

 

2.    Testaufbau & erste Tests

Sobald die Vorgaben für den Proof of Concept stehen, kann es an die Umsetzung gehen. Der ausgewählte Dienstleister fordert dafür zunächst eine Auswahl an Werkstücken an, um mit ihnen im eigenen Optiklabor einen Testaufbau zu gestalten. Geleitet werden diese Maßnahmen von den Vorgaben des Lastenhefts; örtliche Gegebenheiten werden so gut wie möglich imitiert.

Selten erweist sich der erste Aufbau als ideal. Darum testet und bewertet bereits das Optiklabor kontinuierlich die Qualität der Aufnahmen. Aus diesen Zwischenergebnissen treffen sie weitere Annahmen und überprüfen diese direkt in veränderten Versuchsaufbauten.

In manchen Fällen kann ein solches ausführliches Testen im Optiklabor ausreichen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Bedingungen in der späteren Werkhalle optimal sind. In allen übrigen Fällen schließt sich ein weiteres Vor-Ort-Testing an. Doch erst, wenn das PoC-Team mit den Ergebnissen aus dem Optiklabor zufrieden ist, vereinbaren sie einen Termin für einen Versuchsaufbau vor Ort.

 

3.    Vor-Ort-Testing (*optional)

Stimmen die Ergebnisse aus dem Optiklabor, bemüht sich das Entwicklungsteam um einen Vor-Ort-Termin. Ziel dieses Besuchs beim Auftraggeber ist, die theoretische Entwicklung auf ihre Praxis unter den tatsächlichen Bedingungen zu testen. Je nach Aufwand und Testteilen kann dieser Part ein bis drei Tage in Anspruch nehmen. Nach Möglichkeit sollten Auftraggeber immer die Möglichkeit einräumen, in der tatsächlichen Werkhalle zu testen. Denn bereits eine Halle auf der anderen Seite des Werksgeländes hat möglicherweise andere Lichtverhältnisse oder gar Beleuchtung aufzuweisen. Im Zweifel ist ein Test auf dem Firmengelände mit Werksausrüstung dem Ausfall eines solchen Tests vorzuziehen.

Die Tests vor Ort sollen jedoch nicht nur die Lichtverhältnisse überprüfen. Zusätzlich geben sie einen wichtigen Einblick in die Kompatibilität aller Bausteine. Nicht selten sind zwei Systeme zwar auf dem Papier vereinbar – doch in der Realität bedarf es einiger zusätzlicher Tricks und Maßnahmen.

Sollten sich schwerwiegende Probleme oder grundlegende Veränderungen aus der Vor-Ort-Situation ergeben, kann es notwendig werden, noch einmal im Optiklabor zu testen und daraufhin einen weiteren Werksbesuch vorzunehmen. Das mag zwar den PoC verzögern, hilft jedoch, das Gesamtprojekt erfolgreich abzuwickeln.

 

4.    Ergebnis-Diskussion

In den meisten Fällen folgt auf den Vor-Ort-Besuch die Validierung des Konzepts. Der Dienstleister stellt das fertige Konzept für die jeweilige Bildverarbeitungslösung vor. Wenn es Änderungen gab, sollten diese jetzt diskutiert und auf den Projektplan angewendet werden. Kritische Aspekte des Aufbaus, die z.B. für zukünftige Änderungen relevant wären, sollten nun ebenfalls angesprochen werden. Auch die Absage des Projekts – beispielsweise aufgrund zu hoher Kosten – kann ein mögliches Ergebnis sein.

 

5.    Weitere Schritte

Steht das Ergebnis, ist der eigentliche Proof of Concept abgeschlossen. Nun geht es darum, den PoC wieder in das Großprojekt einzugliedern. Das geschieht am besten durch eine erneute Überprüfung und ggf. Anpassung des ursprünglichen Projektplans. Sind auch diese Schritte abgeschlossen und angenommen, steht der finalen Umsetzung nichts mehr im Weg.

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